Dating Trendbericht: Frauen diktieren die Onlinedating-Trends

<< Auszug aus Kapitel 7 "CEO OF LOVE - Dating Trendbericht 2015 >>

Frauen und Männer haben unterschiedliche Bedürfnisse und Wünsche, und der wachsende weibliche Einfluss auf die Onlinedating- Branche kann nicht ignoriert werden. Frauen werden, auch im Hinblick auf soziale Normen und Erwartungen, immer unabhängiger – und zwar in allen Lebensbereichen, sowohl privat als auch beruflich und finanziell. Immer mehr Frauen entscheiden sich dafür, ledig zu bleiben, bis sie einen Partner finden, der ihren Ansprüchen gerecht wird. Ihr zunehmend selbstbewusstes Auftreten in der Onlinedating-Welt ist eine deutliche Kampfansage an die traditionellen Geschlechterrollen. Wie haben Frauen die Onlinedating-Branche verändert – und wie reagieren die Dating Anbieter darauf?

Kostenlose Dating-Apps sind nur der Anfang

Die jüngste Welle der kostenlosen Dating-Apps hat mobiles Dating für alle leicht zugänglich gemacht. Laut einer Umfrage unter Tinder-Nutzern haben die Frauen aber schon genug davon. 69% der weiblichen Nutzer sind unzufrieden und während 48% der Frauen trotzdem planen, vorerst bei Tinder zu bleiben, wollen insgesamt 25% zu ernsthafteren Dating-Seiten bzw. zu alternativen Angeboten wechseln. Das überrascht nicht sonderlich, wenn man weiß, dass 61% der weiblichen Tinder-Benutzer nach der wahren Liebe suchen – und statt dessen nichts als Sex finden.Dass Frauen vom ungezwungenen Dating-Spaß zur ernsthaften Partnersuche wechseln, bestätigt Elitedaters CEO Nigel Rasmussen, der eine Verbindung zwischen der Markteinführung von Tinder und Neuregistrierungen bei seiner Partnervermittlung sieht: "Die Anzahl der Frauen aus den größeren Städten ist seit Januar 2014 um 5,6% gestiegen, also genau seit dem Zeitpunkt, wo Tinder den großen Durchbruch hatte – und der steigende Frauenanteil ist wahrscheinlich ein Ergebnis davon."

Wir erwarten, dass dieser Trend sich weiterhin bemerkbar macht, wenn Frauen weiterhin von kostenlosen Apps auf ernsthafte Partnervermittlungen umsteigen.

Onlinedating-Plattformen und Social Media stärken die Rolle der Frau

Ein zweiter, ganz aktueller Trend ist die bewusste Nutzung von Onlinedating-Plattformen, um weibliches Selbstbewusstsein zu stärken und die öffentliche Aufmerksamkeit auf Diskriminierung und Sexismus zu lenken. Frauen in den USA verwenden Dating-Dienste massenhaft direkt oder indirekt, um frauenfeindliches Verhalten zu enthüllen. Sie nutzen dabei Social Media-Plattformen, um gegen sexistisches und beleidigendes Verhalten zu protestieren, mit dem jede Frau vertraut ist, die je online mit Männern in Kontakt gekommen ist.

Dank der Möglichkeiten, die moderne Technologie ihnen bietet, müssen Frauen sich heute nicht mehr alles bieten lassen. Der Instagram Account "Bye Felipe" sammelt Screenshots anzüglicher Nachrichten von der US-Dating-Seite OkCupid, der Tumblr "Straight White Boys Texting" zeigt Screenshots von plumpen SMS-Sprüchen und kommt zu dem Schluss, dass die titelgebenden weißen Jungs "aufgehalten werden sollten", während Künstlerin Anna Gensler Karikaturen von Tinder-Nutzern zeichnet, die ihr vulgäre, beleidigende Mitteilungen senden. Es gibt hunderte von diesen Accounts, und die meisten machen sich lustig über die lächerlichen Versuche schwanzgesteuerter Männer, Frauen rumzukriegen – aber immer mit dem Hinweis, dass Frauen sich das nicht gefallen lassen sollten – und dass öffentliche Demütigung die beste Reaktion auf solches Verhalten ist. Wer geneigt ist, dass Ganze als harmlose Internet-Spielerei abzutun, sollte wissen, dass Anna Gensler sich öffentlich darüber geäußert hat, ernsthafte Morddrohungen von Männern erhalten zu haben, die sie mundtot machen wollten.

   

Quelle: http://instagram.com/byefelipe

Im US-Magazin The Atlantic wurde die Bewegung als "die feministische Internet-Bürgerwehr, die Tinder-Ekel auffliegen lässt" gefeiert:

„Wenn die Männer sich in der Öffentlichkeit so verhalten würden, dann würden wir wollen, dass sie festgenommen werden. Es wäre lächerlich, wenn ein Fremder seinen Penis in einer Bar zeigt und das keine Folgen hätte. Also fragen diese Frauen: warum ist es beim Onlinedating erlaubt, sich gegenseitig mit visuellen und schriftlichen Obszönitäten zu überhäufen?“40

Allerdings betrachten emanzipierte Frauen und Feministinnen Onlinedating deswegen nicht zwangsläufig negativ. Der International Council of Women ermutigt Frauen mit feministischen Ansichten, ihren Partner online zu finden:

„Mit dem Wachstum der Onlinedating-Seiten sind Feministinnen nun in der Lage, potenzielle Partner zu finden, die ihre Ansichten unterstützen und bereit sind, eine Beziehung mit einer emanzipierten Frau zu führen. Online können diejenigen, die ihre Ansichten teilen und diejenigen, die sie nicht respektieren, von einander trennen. Sie sind auch in der Lage, die Entwicklung der Beziehungen zu beeinflussen und abzuschätzen, ob es sich lohnt, ihre Zeit zu investieren, was ihnen ein Gefühl von Selbstbestimmung gibt. Onlinedating-Bewertungen helfen auch Feministinnen bei der Auswahl der Dating-Websites, die sie nutzen, abhängig von den Leistungen, die sie dort erhalten, sowie den Menschen, die sie wahrscheinlich auf der Seite finden.“

Gründerin und CEO von Women Empowered Shelly Ulaj ermutigt Frauen, Onlinedating als eine Möglichkeit zu sehen, sich selbst zu entfalten – herauszufinden, was sie wollen, wer sie sein wollen und zu lernen, auf ihre Intuition und nicht auf Andere zu hören, sei es die Gesellschaft, Freunde oder Familie.

Hier lassen sich an einem interessanten und komplexen Beispiel dynamische Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Medien beobachten. Mit der Kritik am Onlinedating und dem Freilegen der Schwächen und Nachteile geben Frauen der Branche und den männlichen Kunden einen Denkanstoß und verleihen dem Thema gesellschaftliche Relevanz.

Sex-Dates für die Frauen von heute und morgen

Ein Onlinedating-Trend, der erfolgreich auf weibliche Bedürfnisse ausgerichtet ist, ist Casual Dating. Das Konzept soll speziell den Bedürfnissen von Frauen gerecht werden. Traditionelles Sex-Dating war immer von Männern dominiert – das Design und die Sprache reflektierten männliche Bedürfnisse und Wünsche. Als Frauen nach und nach in die erotische Dating-Welt eintraten und ihre eigenen Bedürfnisse offen zum Ausdruck brachten, wurde eine moderne, weiblichere Version von Sex-Dating nötig. Casual Dating passt zum unabhängigen, schnellen, hoch individualisierten Lebensstil der weiblichen Singles. Es ist zugeschnitten auf Frauen, die nur Beziehungen wollen, die in ihr Leben passen.

Die zuvor bereits erwähnte Hookup-Kultur kommt hier insbesondere auch den Frauen zugute:„Dass heute mehr Frauen als Männer die Universität abschließen, liege paradoxerweise auch an der "hook-up culture". […] Sex soll dem beruflichen Aufstieg nicht mehr in die Quere kommen. Er ist schlicht zu banal.“

Ob sexuelle Promiskuität tatsächlich ein Zeichen der Emanzipation ist, bleibt seit Jahrzehnten umstritten, doch Fakt ist, dass es die Casual Dating Dienste und ihre Kundinnen so empfinden. Die amerikanische Autorin Hana Rosin meint:

„Wenn wir über die Hook-Up-Kultur sprechen, dann in der automatischen Annahme, das sie für Frauen ein Desaster ist. Ich versuche, dieser Sichtweise zu begegnen, indem ich erkläre, dass es dabei vor allem darum geht, verschiedene Beziehungsmodelle zu testen, ohne dass sie gleich in die Ehe führen.“

Casual Dating-Seiten wie C-date, Gleeden und Victoria Milan sind klar für Frauen konzipiert, mit stilvollem Design voll subtiler Erotik (statt plumpem Sex). Frauen scheinen das zu mögen, denn laut Sigurd Vedal, CEO der Casual Dating-Website Victoria Milan, sind weibliche Nutzer aktiver als männliche. Vedal sagt auch, dass Frauen das erotische Dating verändert haben:

„Ein starker Trend, den wir beobachten, ist weiterhin die weibliche Emanzipation. Mehr und mehr Frauen nehmen sich das, was sie wollen und brauchen. Sie sind wählerischer und haben keine Angst, mutige Entscheidungen zu treffen oder nein zu sagen. Dadurch hat sich auch das Verhalten der Männer verändert. Sie haben gemerkt, dass es nicht so leicht ist, Frauen zu beeindrucken. Dadurch gibt es eine Wertsteigerung für alle, was meiner Meinung nach gut ist.“

Gleeden treibt das Konzept der Casual Dates für Frauen noch einen Schritt weiter, wie CEO Ravy Truchot erklärt: "Es ist die erste von Frauen entworfene Website für außereheliches Dating: Unser 100% weibliches Team – gemeinsam mit Experten wie Psychologen oder Sexologen – arbeitet täglich daran, Frauen die Kontrolle über ihre Affären zu geben."

Weden Frauen von diesen Diensten bestärkt oder existieren die Dienste nur, weil Frauen heute weniger Angst haben, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen? be2-CEO Carsten Böltz denkt, dass Frauen einen aktiven Beitrag zur Änderung der Dating-Branche leisten: "Die Selbstwahrnehmung der Frau hat sich im letzten Jahrzehnt stark verändert. Frauen sind eher bereit, die Initiative zu ergreifen und sich das zu holen, was sie wollen." Heinz Laumann sieht Dienste wie C-date dagegen als Vermittler:

“C-date bietet Frauen einen Grad der Anonymität, den sie bei diesen öffentlicheren Apps nicht bekommen. Wir achten sehr darauf, wer was bei C-date sehen kann und Frauen behalten die Kontrolle darüber, wann andere User ihre Bilder oder andere persönliche Details sehen können. Dabei fühlen Frauen sich wohl und das ist einer der Gründe, warum wir von Frauen untereinander weiterempfohlen werden.“

Die Zukunft der Frauen beim Onlinedating

Auch wenn sie im Mittelpunkt der Marketing-Bemühungen stehen, sind Frauen immer noch auf der Suche nach einem Ort, wo sie sich respektiert und ernst genommen fühlen. Auf kostenlosen Dating-Seiten wird der Ton oft ein bisschen zu anzüglich, woraufhin die weiblichen Mitglieder die Flucht hin zu ernsthaften Dating-Seiten ergreifen. In naher Zukunft erwarten wir, dass zwei polarisierte Trends sich fortsetzen: Während eine wachsende Zahl von Frauen bei Dates genau das bekommen, was sie wollen – im Sinne einer rein körperlichen Beziehung in einer sicheren Umgebung – geht eine noch größere Gruppe in die entgegengesetzte Richtung und entscheidet sich für Partnervermittlungen. Gleichzeitig sehen wir einen neuen Trend: Frauen, die bewusst das sexistische Verhalten auf Dating-Sites durch diverse Social Media Plattformen sichtbar machen, um auf feministische Belange aufmerksam zu machen. Vielleicht werden wir auch bald ähnliche Aktivitäten von deutschen Social Media-Feministinnen sehen? Onlinedating erfindet sich immer neu und an diesem Prozess beteiligt sich eine wachsende Zahl von Frauen mit einem kreativen und humorvollen Dialog.

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