Dating Trendbericht: Die wahren Kosten der kostenlosen Dating-Apps

<< Auszug aus Kapitel 6 "CEO OF LOVE - Dating Trendbericht 2015 >>

Leider ist die Privatsphäre oft das erste, was User bereitwillig opfern, wenn sie im Austausch etwas im Internet kostenlos bekommen. Die Popularität der kostenlosen Dating-Apps ist kaum eine Überraschung. Dating für unterwegs, vom Smartphone aus, bequem und ohne einen Cent dafür zu bezahlen – das ist ein Angebot, dem die Wenigsten widerstehen können. Je mehr Singles Tinder und Co. nutzen, desto mehr wächst der Hype und treibt das exponentielle Wachstum an. Aber was bekommt der Verbraucher wirklich kostenlos? Gibt es versteckte Kosten? Und wie sehen Verbraucher und Entscheidungsträger in der Dating-Branche diese Produkte?

Wie stehen etablierte Partnervermittlungen zu kostenlosen Dating-Apps?

Der exponentielle Anstieg der Dating App Nutzer innerhalb der letzten zwei Jahre ist weitgehend auf Tinder zurückzuführen. Inzwischen ist die beliebte Dating-App in aller Munde und zu einer bekannten Marke geworden. Als völlig kostenlose, einfach bedienbare App mit Coolness-Faktor stellt sie eine potenzielle Bedrohung für die herkömmlichen Partnervermittlungs- und Dating-Dienste mit ihren kostenpflichtigen Abos oder In-App-Käufen dar.

Jens Kammerer, Geschäftsführer der kostenlosen Dating-App Jaumo, erklärt die Faszination des Kostenlosen im aktuellen Markt:

„In den letzten Jahren haben wir einen unglaublichen Aufstieg der Smartphones und Tablets erlebt und die Möglichkeiten hierzu sind, denke ich, noch nicht ausgeschöpft. Die Veränderung von Desktop-Dating zu Mobile-Dating hat auch den Markt kräftig aufgemischt. Sperrige Webseiten mit unübersichtlichen Suchformularen, Abos von bis zu 60 € im Monat und kundenunfreundlichen Geschäftsbedingungen gehören meiner Meinung nach der Vergangenheit an. Den Siegeszug haben längst moderne Flirt-Apps wie unter anderem Jaumo angetreten.“

Im Rahmen unseres CEO of LOVE Interviews fragten wir auch die Gründer und CEOs zahlreicher kostenpflichtiger Dienste, ob sie kostenlose Dating-Apps als eine Bedrohung sehen. Nicht einer der Befragten findet (oder gibt zu), dass die kostenlosen Apps eine Bedrohung oder überhaupt direkte Konkurrenz sind. Noch überraschender ist, dass mehrere CEOs sie sogar begrüßen – als Inspiration und als Ansporn, sich den verändernden Bedingungen anzupassen. Sigurd Vedal von Victoria Milan sagt:

„Wenn das Management sich an Veränderungen anpasst, anstatt eine bereits verlorene Position weiter zu verteidigen, könnte die Firma sich verändern und den Markt anführen.

Das gleiche gilt für jede Branche – auch für Dating“.

Tobias Börner (LOVOO) sieht seine Firma im Aufwind:

„Wir zählen uns mit LOVOO zu den Siegern. Tinder beflügelt uns in unserer täglichen Denke und wir freuen uns über die Competition aus den USA. Konkurrenz belebt das Geschäft und ermutigt uns in den eigenen Zielmärkten DACH, Frankreich, Spanien, Italien, UK und Brasilien noch mehr Gas zu geben!“

Carsten Böltz, (be2) sieht noch einen weiteren Vorteil: "Wenn überhaupt sehe ich Tinder als positiv für die Branche, weil dadurch viele Menschen zum ersten Mal zum Onlinedating kommen."

Dr. Jost Schwaner, Geschäftsführer von  ElitePartner, ist davon überzeugt, dass diese Produkte ihren Platz haben – auch wenn der von seiner Firma angebotene Service genau am anderen Ende des Spektrums angesiedelt ist:

„Apps wie Tinder und Co. sind absolut relevant, weil sie dem Bedürfnis vor allem jüngerer Singles entsprechen. Anonymität spielt für sie keine Rolle, sie wollen schnell in Kontakt treten. Um feste Beziehungen geht es dabei aber nur selten, so dass diese Angebote eine ganz andere Zielgruppe ansprechen als ElitePartner und andere Matchmaker.“

In der Tat haben Dating-Seiten, die spezialisierte Produkte bieten, sogar einen Anstieg der Neuregistrierungen beobachtet. Nachdem diese über kostenlose Apps ans Onlinedating heran geführt wurden, machen sich Viele auf die Suche nach anspruchsvolleren Dienstleistungen, die mehr bieten. Wir erwarten, dass diese Symbiose weiter geht – mit neuen, kostenlosen Apps, neben kostenpflichtigen Dating-Diensten, die beide in Kombination den Markt weiter beleben werden.

Man bekommt (nicht), was man (nicht) bezahlt – Benutzererfahrungen mit kostenlosen Dating-Apps

Verbraucher neigen dazu, ein gewisses Preis-Leistungsverhältnis zu erwarten, aber was, wenn es keinen Preis gibt? Wenn Apps angeblich völlig umsonst sind, sollte man sich fragen, was man für "nichts" bekommt – und was eben nicht. "Wenn das Produkt kostenlos ist, ist dann auf der anderen Seite - aus der Business-Perspektive betrachtet - doch eigentlich der Nutzer das „Produkt“? Viele Apps verlangen Zugriff auf Facebook, womit Nutzer mit ihren Daten und ihrer Privatsphäre bezahlen. Tinder hat vor Kurzem zwar Premium-Upgrades angekündigt, doch es liegt nahe, dass kostenlose Dating-Apps sich zum Beispiel durch Werbung oder durch den Verkauf von Daten finanzieren müssen.

Tinder hat aus der Not eine Tugend gemacht, indem nur sehr wenige Funktionen geboten werden. Die Nutzung erinnert eher an ein Spiel als an traditionelles Dating. Allerdings ist es gerade diese leichtfertige Haltung gegenüber der Partnersuche, die für viele Singles, insbesondere für Frauen, problematisch ist. Wie eine aktuelle Umfrage ergab, sind 91% der weiblichen Tinder Benutzer verärgert über langweilige Nachrichten und mehr als jede Dritte Frau ist es leid, anzügliche Nachrichten zu erhalten. Doch auch wenn 57% der Männer und 69% der Frauen von Tinder in irgendeiner Form gelangweilt sind, will mehr als die Hälfte aller befragten Singles den kostenlosen und bequemen Flirtgehilfen weiter nutzen.

Heinz Laumann von C-date weist darauf hin, dass Zeit auch eine Währung ist, die Benutzer bei der Verwendung von kostenlosen Apps investieren. Kostenpflichtige Dienste bieten in der Regel genauere Partnerempfehlungen und sparen dem Anwender Zeit:

“Ich denke, mobile Geräte haben Dating in Bezug auf die Geschwindigkeit verändert. Sie bekommen schneller Zugang zu anderen Menschen, aber es ist ein oberflächlicheres Erlebnis. Tinder ist wie ein Lauf durch eine große Menschenmasse – sie alle kennen zu lernen und herauszufinden, wer davon der oder die Richtige ist, macht viel Arbeit. Wenn Sie jeden einzelnen “Match” von Tinder treffen würden, dann hätten Sie locker 365 Dates im Jahr, aber das wäre teuer und aufwändig. In diesem Sinne liefern Angebote wie Tinder nicht wirklich das, was man von einer Dating-Website erwartet. Es ist eine Frage von Klasse oder Masse. Viel Leute hätten lieber weniger gute Matches als hunderte wahllose und in Zukunft scheint es wahrscheinlich, dass viele zu Diensten zurückkehren, die einen größeren Teil der Arbeit für sie erledigen.”

Eine kostenlose Dating-App wie Tinder liefert Singles zweifelsohne einen gewissen Unterhaltungswert, auch wenn der eher oberflächlich ist. Anspruchsvolle Dienstleistungen lassen sich ihren spezialisierten Service in der Regel teuer bezahlen, aber auch die kostenlosen Apps haben ihren Preis – auch wenn der nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist.

Kostenlose Apps müssen früher oder später Geld verlangen

Kann eine App auf ewig kostenlos sein, ohne Qualitätsverlust, und trotzdem am Markt bestehen? Nach dem Erfolg der kostenlosen App hat Tinder vor kurzem angekündigt, eine neue Tinder Plus-Version für Premium-Mitglieder testen zu wollen. Unterschiedliche Preise werden in verschiedenen Ländern vor der endgültigen Einführung getestet. Diese Ankündigung ist der beste Beweis, dass sogar die erfolgreichsten kostenlosen Dienste früher oder später Geld verdienen müssen. Sigurd Vedal von Victoria Milan bringt es auf den Punkt:

„Tinder und andere kostenlose Apps müssen immer noch Geld verdienen, um das Business zu verändern. Momentan ist der Hype riesig, aber das Geld bleibt aus. Eine Firma kann nicht nur vom Geld der Investoren leben.“

Für Heinz Laumann ist es unvermeidlich:

“All diese Angebote werden irgendwann Geld verlangen. Wir sehen das bei Tinder und Plenty of Fish, wo zahlungspflichtige Premium-Angebote eingeführt werden. Viele kostenlose Seiten und Applikationen greifen nach Marktanteilen, aber irgendwann läuft die Finanzierung ab. Es ist toll, dass Leute das tun und wir können von den dazu gehörigen Innovationen lernen, aber am Ende können die meisten Datingseiten nicht nur von Werbung leben.“

Das folgende Plädoyer richtet sich generell gegen die Kostenlos-Mentalität im Internet, trifft aber auch insbesondere auf Onlinedating zu:

Lange Zeit galt  „kostenlos“ als der beste Preis im Netz. Der Grund: Man kann darüber Reichweite erzielen, die dann im Nachhinein in Geld verwandelt werden soll. Werbebanner sind hier vielfach das Mittel der Wahl, oftmals ausgeliefert über große Werbevermarkter. Das funktioniert zwar bisweilen gut. Inzwischen macht sich aber die Erkenntnis breit: Das gilt nur für eine beschränkte Zahl an Angeboten und für bestimmte Formen von Diensten und Inhalten – [...] Auch die Nutzer merken: Es ist zwar erst einmal eine schöne Sache, etwas geschenkt zu bekommen. Nur gibt es dafür stets einen Haken.

[...]

Irgendwer zahlt immer, auch wenn etwas kostenlos ist. Diese Erkenntnis ist nicht neu, sie wird aber zunehmend wichtiger. Manchmal werden wir selbst zum Produkt, manchmal bekommen wir nur etwas Minderwertiges und manchmal werden wir hintenrum doch noch zur Kasse gebeten oder mit diversen Tricks zum Geldausgeben verführt.

[...]

Für eine gute Leistung gutes Geld zu bezahlen, sollte auch im Digitalen selbstverständlich werden. Wem die werbefinanzierte Gratisalternative genügt, der kann ja trotzdem bedient werden. Wir brauchen eben beides oder idealerweise viele verschiedene Formen der Finanzierung.

Julius Dreyer (Playa Media) ist davon überzeugt, dass es genügend Platz im Markt gibt und dass kostenlose (werbefinanzierte) und kostenpflichtige Dienstleistungen erfolgreich nebeneinander bestehen können:

„Wir sind seit 2004 komplett kostenlos nutzbar. Trotzdem gibt es viele Anbieter am Markt die weiterhin viel Geld für ihre Angebote verlangen und offensichtlich auch von ihren Nutzern akzeptiert werden. Ich glaube Vielfalt wird es immer geben.“

Das könnte erklären, warum alle CEOs einstimmig sagen, dass kostenlose Dating-Apps keine echte Bedrohung für den Markt oder ihre eigenen Dienste darstellen.

Die Zukunft der kostenlosen Dating-Apps

Wir gehen davon aus, dass es weiterhin viele kostenlose Dating-Anwendungen geben wird. Neue Produkte können so schnell viele User gewinnen und sich am Markt etablieren. Trotz wachsender Kritik an Tinder ist der spielerische Ansatz dieser Art von Dating offensichtlich populär. Aber früher oder später müssen alle auf die eine oder andere Weise Geld verdienen. Gleichzeitig profitieren die etablierten Dating-Websites, wenn App-Nutzer auf der Suche nach einer hochwertigen Dienstleistung auf bezahlte Singlebörsen umsteigen. Tinder ist das bekannteste Beispiel für diesen Trend, der sich sicherlich fortsetzen wird.

>> Die Zusammenfassung des kompletten Trendberichts lesen Sie hier >>

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